Punk, D.I.Y. und Queerfeminismus – Ladyfeste
Seit der Jahrtausendwende eröffnen Ladyfeste queer-feministische Räume zum Feiern und Diskutieren. Dabei versuchen sie Geschlechternormierungen und Zweigeschlechtlichkeit anzugreifen.
„Ein LaDIY*fest kommt selten allein“
Die Organisator*innen der Ladyfeste haben ein erklärtes Ziel: Einer „macker- und/oder männerdominiert[en]“ Musikszene, in der vor allem Cis-Männer Partys planen, in Bands spielen oder auflegen, den Kampf ansagen!
Von autonomen Frauen-, Lesben-, Inter-, Nonbinary-, Trans- und Agender-Gruppen (kurz: FLINTA*-Gruppen) organisiert, möchten die Festivals „andere Geschlechtsidentitäten“ empowern und sichtbar machen.
Ob in Deutschland, Indonesien, Mexiko oder der Türkei: Seit das erste Ladyfest 2000 in Olympia, Washington das Licht der Welt erblickte, werden die Festivals in queer-feministische Subkulturen auf der ganzen Welt gefeiert.
Queer-/feministische „Freiräume“
Ladyfeste möchten „Freiräume“ schaffen.
Prägend für die Ladyfeste ist neben dem queer-/feministischen Anspruch ihre unkommerzielle D.I.Y.-Kultur
Jedes Ladyfest ist trotz der internationalen Bewegung autonom organisiert und damit einzigartig. Sein Programm bildet die Interessen und Standpunkte seines Kollektivs und der jeweiligen Szene an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit ab. Auf den verschiedenen Festivals finden sich unterschiedliche queer-feministische Themen und Positionen wieder, wie die Bandbreite an Workshops von Schreien im öffentlichen Raum, BDSM, LKW-Schrauben bis hin zu DIY-Homoöpathie zeigt.
[ML], [GL QFA LF 02 2017 Le 01] „[Lad.i.y.fest Leipzig 2017, Programm]“, 2017, S.12f.;
[ML], [GL QFA LF 01 2011 Be 01] „[Lad.i.y.fest Berlin 2011, Programm]“, 2011, S.14f.
“All girls to the front! I’m not kidding!” – Die Riot Grrrls
Die Einsicht, dass sich Sexismus und Androzentrismus auch durch die eigene Subkultur und Szene ziehen, entwickelte sich jedoch nicht erst während der Ladyfeste-Ära. Schon die in den frühen 1990er Jahren entstandene Riot-Grrrl-Bewegung forderte Mädchen und Frauen auf, sich in der Punk- und Hardcoreszene Gehör zu verschaffen. Kathleen Hanna, eine der bekanntesten und berühmtesten Riot Grrrls und Sängerin der Band Bikini Kill brachte die Forderungen der Bewegung mit ihrem Ausruf „All girls to the front! I‘m not kidding!“
Der Begriff Riot Grrrl geht unter anderem auf ein 1991 entstandenes Fanzine zurück.
„laut, lustig, ungezogen“ – LaD.I.Y.fest und Ladyzzz
Der bürgerliche Mainstream wurde Mitte der 90er Jahre auf die Riot Grrrls aufmerksam. Er adaptierte und transformierte die Bewegung mit Pop-Bands wie den Spice Girls. Solche Girlgroups verkörperten eine cleane, von politischer Radikalität gereinigte Version von Riot Grrrl. Sie gaben sich zwar wild, selbstbewusst und vorlaut, waren aber in ersten Linie eins: kommerziell. Von der Wut, der Provokation und dem Punk der Riot Grrrls blieb nicht mehr als ein glattgebügeltes „Girl Power!“ übrig.
Die Ladyfeste nahmen Themen und Ideen der Riot-Grrrl-Bewegung auf. Genau wie die Riot Grrrls zuvor den unschuldig-infantilen Begriff „Girl“ in ein wütendes Knurren verwandelt hatten, versuchen Ladyfeste den Begriff „Lady“ neu zu besetzen. Die „Ladyz“ der Ladyfeste können als Antithese oder Persiflage einer „echten Lady“, also einer vornehmen Frau, die geschlechtsstereotyp auftritt und relativ hohes gesellschaftliches Ansehen besitzt, verstanden werden.
Die Gesellschaft sagt uns von Klein[sic] auf, dass wir zurückhaltend und brav sein sollen, um richtige „Ladies“ zu werden. Wir wollen uns die Kategorie zurückerobern, laut, lustig, ungezogen – lad(i)ys* halt.LaDiYfest Freiburg: Selbstverständnis // Was ist ein Lad(i)y*fest, Zugriff am 04.11.2021 unter http://ladiyfestfreiburg.blogsport.eu/selbstverstaendnis/.
Die hier avisierte Bedeutungsverschiebung zielt darauf ab, das, was als „normal“ oder „natürlich“ gilt, in Frage zu stellen. Doch anders als das „Grrrl“ der Riot Grrls hat die „Lady“ nun nicht mehr zwangsläufig eine cis-weibliche Geschlechtsidentität. Schon auf dem ersten Ladyfest in Olympia wurde klargestellt:
„What does ‘lady’ mean? Are transgendered ladies welcome?
Yes! Events listed as “ladies only” are open to all women, including women who identify as men, and ladies who were born gentlemen. This also applies to performing at ladyfest. Transgendered women are welcome to lead workshops, play music, show art, do performance art, etc.“Ladyfest: FAQ + About Olympia, Zugriff am 04.11.2021 unter http://ladyfest.org/FAQ/.
Im Unterschied zur Riot Grrrl Bewegung, die sich an Frauen und Mädchen richtete, denken und adressieren Ladyfeste auch andere geschlechtliche und sexuelle Identitäten. Sie verschieben und differenzieren so die Auseinandersetzung mit Geschlechterkategorien, klassischen Geschlechtszuschreibungen und Zweigeschlechtlichkeit.
Sichtbar wird dies auch in der Umbenennung der meisten Ladyfeste seit den 2010er Jahren. Die Umdeutung des Begriffs „Lady“ schien für viele Queerfeminist*innen nicht (ausreichend) gelungen zu sein. Um den Bruch mit der ursprünglichen Wortbedeutung zu verstärken, benannten sie die Festivals beispielsweise in „LaD.I.Y.*fest“ um. „Mit der Erweiterung des Ladyfests zu LaDIYfest wollen wir das binäre, normative Geschlechtersystem aufbrechen, welches nach wie vor einige von uns mit dem Begriff „Lady“ verbinden."
Das Ende der Ladyfeste?
In der Transformation des Namens „Ladyfest“ zu „LaDIYfest“ lassen sich zentrale queerfeministische Gedanken um Symbolisierung, Repräsentation und Anerkennung von verschiedenen Sexualitäten und Identitäten wiedererkennen. Wer ist mit „Lady“ gemeint? Für wen steht der Raum Ladyfest also eigentlich offen? Diese Fragen wurden auf den Ladyfesten immer wieder diskutiert.
Verfasst von
Tordis Trull
studierte Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte und Religionswissenschaft in Dresden, Leipzig und Krakau. Als Mitarbeiterin der Feministischen Bibliothek MONAliesA hat sie zuletzt feministische Projekttage in sächsischen Kleinstädten organisiert. Ihre Schwerpunkte sind zeitgenössischer Feminismus und seine Ausdrucksformen.
In anderer Fassung am 08. Juni 2022 als Tordis Trull (2022): Ladyfeste: Punk, D.I.Y. und Queerfeminismus, in: Digitales Deutsches Frauenarchiv erschienen: https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/themen/ladyfeste-punk-diy-und-queerfeminismus