Über Unabhängiger Frauenverband (UFV)
1989: Das politische Klima in der DDR ändert sich, tausende DemonstrantInnen und neue BürgerInnenrechtsgruppen fordern Reformen. Um in den politischen Verhandlungen die Interessen der Frauen zu vertreten, schließen sich zahlreiche Frauengruppen der DDR zum Unabhängigen Frauenverband zusammen.
Die 1980er-Jahre in der DDR: autonome Frauengruppen und feministisches Bewusstsein
In den 1980er-Jahren wuchs der Widerstand gegen das SED-Regime. Überall in der DDR entstanden zahlreiche Gruppen mit unterschiedlichen politischen Inhalten und Forderungen. Auch viele Frauen schlossen sich in dieser Zeit zusammen – trotz gefürchteter Repressionen, da Versammlungsfreiheit in der DDR praktisch nicht existierte. Viele dieser Frauengruppen entstanden im Kontext einer weltweiten Friedensbewegung. Sie nannten sich Frauen für den Freiden und protestierten gegen die zunehmende Militarisierung, ausgelöst durch die Änderung des DDR-Wehrgesetzes im Jahr 1982, laut der im Verteidigungsfall auch Frauen eingezogen werden konnten. Neben friedenspolitischem Begehren gab es auch Frauengruppen, die sich für Umweltschutz, mehr Demokratie und BürgerInnenrechte oder die Belange alleinstehender, berufstätiger Frauen einsetzten. Auch entstanden zahlreiche Lesbengruppen, die gegen die Diskriminierung Homosexueller kämpften.
Trotz der unterschiedlichen Anliegen bildeten diese Frauengruppen in ihrer Autonomie einen Gegensatz zum DFD, dem Demokratischen Frauenbund Deutschland, der als Massenorganisation Teil des SED-Parteistaats war und sich vor allem „[…] als Interpret […] der staatlichen sozialpolitischen Maßnahmen […]“
Die Umbruchsjahre 1989/90 sahen viele autonome Frauengruppen als Chance, feministisches Bewusstsein zu etablieren. Die Änderung des politischen Kurses der SED-Regierung und die Öffnung der Berliner Mauer versprachen eine politische Teilhabe an möglichen Reformen der DDR, an denen auch die Frauen mitwirken wollten.
„Hoppla – Knall – Hurra: der UFV ist da!“
Im September 1989 fand in Erfurt ein Koordinierungstreffen von Frauengruppen statt, „[…] bei dem eine verbindlichere und engere Zusammenarbeit erwogen wurde; […].“
Dem Aufruf folgten 1.200 Frauen aus circa 60 Frauengruppen und -initiativen
Um jedoch an den Wahlen zur DDR-Volkskammer am 18. März 1990 teilnehmen zu können, musste der UFV eine Politische Vereinigung sein. Deshalb kam es am 17. Februar 1990 zur offiziellen Gründung des UFV. Dabei wurden auch ein Programm und ein Statut verabschiedet, in denen die Eigenständigkeit der Mitglieder betont wurden: „Der UFV ist ein Zusammenschluß von selbständig arbeitenden Frauen und Gruppen, der es ihnen ermöglicht gemeinsam zu handeln, um ihre Interessen in der Gesellschaft zu vertreten. Die Aktivitäten der Frauen/gruppen bestimmen die Inhalte und Funktionsstrukturen des UFV.“
Die politischen Forderungen des UFV
Der UFV verstand sich als feministische Vereinigung und war laut Schenk „[…] die erste Organisation in der DDR, die sich öffentlich zum Feminismus bekannt hat.“
Der UFV forderte die Gleichberechtigung von Frau und Mann, die über eine Quotierung weit hinausging, indem sie eine grundlegende Chancengleichheit aller Geschlechter vorsah. Um die Belange von Frauen zu berücksichtigen, verlangte der UFV daher eine gleich starke Besetzung von Frauen und Männern an den Stellen, an denen politische und ökonomische Entscheidungen getroffen wurden. Ebenso forderten sie die Etablierung von Gleichstellungsbeauftragten auf allen politischen Ebenen.
Der UFV trat zudem für Toleranz gegenüber allen Formen des Zusammenlebens ein, unabhängig von Geschlecht und sexueller Orientierung. In einem erneuerten Schul- und Kindergartenwesen sollte geschlechterstereotypes Denken aufgehoben und frei von Rollenmustern und heterosexueller Normierung agiert werden.
Konkrete Forderungen nannte der UFV auch zu den Themen Erwerbsarbeit und Abtreibung. Durch die Wiedervereinigung fürchtete der UFV einen Verlust von in der DDR erreichten Standards für Frauen und ihren damit einhergehenden sozialen Abstieg durch die „[…] Opferung von Selbstverständlichkeiten für die Frauen in der DDR per Diktat.“
‚Unsere Interessen vertreten wir am besten selbst’ (Motto eines UFV-Wahlplakats): der UFV und politische Wahlen
Mit der Gründung des UFV im Dezember 1989 begann das Experiment feministischer Politik auf parteipolitischer Ebene. Zu den Sitzungen des Zentralen Runden Tisches vertraten insgesamt elf Frauen den UFV. Mit ihnen nahmen 36 Frauen und 144 Männer teil. Rückblickend ist vor allem die vehemente Forderung der UFV-Frauen von Bedeutung. Denn mit der Schaffung entsprechender Gleichstellungsstellen folgten dem politischen Begehren auch konkrete Konsequenzen.
Doch der UFV wollte mehr. Zur DDR-Volkskammerwahl am 18. März 1990 ging der UFV ein Wahlbündnis mit der Grünen Partei der DDR ein „[…], um die Frauenfrage auch über die parlamentarische Ebene öffentlich zu machen und in Politik umzusetzen.“
Aber der UFV ließ sich nicht entmutigen.
Zur Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 trat der UFV wieder in einem Wahlbündnis an, bestehend aus den BürgerInnenbewegungen Demokratie Jetzt, Grüne Liga, Die Grünen (DDR) und die Grünen (BRD), Initiative Frieden und Menschenrechte (IFM) sowie Einzelpersonen der Vereinigten Linken und dem Neuen Forum. Diese Listenvereinigung mit dem Namen Bündnis 90/Grüne – BürgerInnenbewegungen (B90/Gr) erhielt 5,1 % der Stimmen und damit acht Sitze im Bundestag. Einen der Sitze erhielt der UFV, das Mandat nahm Christina Schenk an.
‚UFV – ein Jahr danach’ (Motto des 2. UFV-Kongresses): die große Ernüchterung
Ablaufplan Frauenkongress in Leipzig "UFV - ein Jahr danach" : Freitag 8.3.1991 bis Sonntag 10.3.1991
Im Jahr 1991 war der UFV in drei Landtagen (jeweils ein Mandat in Sachsen-Anhalt, Berlin und Sachsen) vertreten und stellte eine Bundestagsabgeordnete. Doch die Euphorie, auf parlamentarischer Ebene feministische Politik betreiben zu können, war verflogen. Feministische Bemühungen wurden oft von der eigenen Fraktion verhindert, da ein Unverständnis gegenüber Frauenpolitik herrschte.
Auch kritisierten viele Projektfrauen, dass sich der UFV zu sehr auf die parlamentarische Arbeit konzentriert und sein „außerparlamentarisches Standbein“
Wer ist der UFV und was will der Verband erreichen? Auf dem UFV-Kongress 1991 wurde dann entschieden, den UFV als Verein weiterzuführen. Eine Beteiligung an Wahlen war somit nicht mehr möglich. Das politische Engagement sollte zukünftig in „[…] Frauenzentren, Frauenprojekte[n], Kongresse[n], Seminare[n], Publikationen, Aktionen und Frauentreffs“ umgesetzt werden.
1998 löste sich der UFV endgültig auf. Und was bleibt? Der UFV war ein Experiment, feministische Politik auf parlamentarischer Ebene umzusetzen. Durch ein Unverständnis gegenüber frauenpolitischem Begehren und parteipolitischem Machtstreben in den Wahlbündnissen gelang es dem UFV nicht, feministische Arbeit auf parlamentarischer Ebene zu verstetigen. Das Experiment war zwar gescheitert, doch der Verdienst des UFV, die vielen verschiedenen Ausrichtungen innerhalb der Frauenbewegung in den Jahren des Umbruchs vereint, den Blick für feministische Anliegen geschärft und einzelne Frauenprojekte in die Parlamente getragen zu haben, bleibt bestehen.
Stand: 15. März 2021
Verfasst von:
ein Text der Monaliesa - Feministischen Bibliothek und Archiv
Empfohlene Zitierweise:
Ein Text der feministischen Bibliothek Monaliesa (2021): Unabhängiger Frauenverband (UFV), in: Digitales Deutsches Frauenarchiv
URL: https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/akteurinnen/unabhaengiger-frauenverband-ufv