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Split Self is the ideal

Seit nun mehr als zwei Monate tobt in Deutschland eine Debatte über Prostitution. Auslöser war  der von der EMMA-Herausgeberin Alice Schwarzer initierte Appell die Prostitution zu verbieten. Begleitet wurde diese Kampagne durch die Veröffentlichung “Prostitution. Ein deutscher Skandal“.

Viel ist in Zeitungen geschrieben worden. Auch die Talkshows griffen das Thema beherzt auf und diskutierten mal mit mehr, mal mit weniger seriösen Gästen. Und da sind natürlich auch noch die feministischen Stimmen. Jüngst meldete sich das “Alphamädchen” Meredith Haaf in der Süddeutschen zu Wort. Ganz wie vor 5 Jahren, als eine junge Generation von weißen Frauen den “neuen Feminismus” ausriefen, steht die “Alt-Emanze” Alice Schwarzer und der “EMMA-Feminismus” unter Beschuss.In dem Artikel kritisiert sie die von Schwarzer gezogene Parallele zwischen Pädophilie und Prostitution. Frau Haaf wirft ihr darauhin einen “anachronistischen und frauenfeindlichen Sexualitätsbegriff” vor, der keine “sexuelle Autonomie” der Frau zulässt und stellt sie damit auf eine Stufe mit islamischen und christlichen Fundamentalisten. Der Vorwurf eines “altmodischen Frauenbildes in der Prostitutionsdebatte” kulminiert in der Aussage Alice Schwarzer mache mit einer patriarchalischen Ideologie Politik. Wie bitte?

Der Gastbeitrag von Meredith Haaf zeigt mehr als deutlich, dass Kapitalismus- gepaart mit Patriarchatskritik und soziapolitische Forderungen in feministischen Debatten kaum noch vorkommen. Noch mehr schockierend ist die Annahme von Frau Haaf, dass Frauen doch in der Lage sein sollten, den Sex, den sie haben, von sich zu trennen.

Die schwedische Feministin und Journalistin Kajsa Ekis Ekman greift in ihrem jüngst erschienen Buch “Being and Being Bought: Prostitution, Surrogacy and the Split Self” diese Argumentation auf: ” The Self must be split from the body to make it possible to sell your body without selling yourself. The body becomes sex. Sex becomes a service. The story of the sex worker says: the Split Self is not only possible, it is the ideal.”

Kajsa Ekis Ekman setzt sich in ihrem Buch sehr kritisch mit Prostitution auseinander. Sie kritisiert hierbei insbesondere die Allianz zwischen Rechten und Linken: “Auf der einen Seite sind da die neoliberalen Rechten, die an den freien Markt glauben und alles deregulieren wollen. Auf der anderen Seite steht die postmoderne Linke, die alles bejaht, was für sie nach Freiheit klingt. Nun haben wir es bei der Prostitution mit einem völlig deregulierten Markt mit Dumpinglöhnen und Mietwucher zu tun, dem die Linke das Vokabular liefert: „Unterdrückte Frauen nehmen sich die Macht, ihr Leben selbst zu definieren und weigern sich, Opfer zu sein.“ Auch die Queer-Bewegung kommt bei ihr nicht gut weg, “die Prostitution als cool und hip definiert“: “Das Problem ist: Diese Bewegung stellt zwar Normen in Frage, aber nicht die Machtverhältnisse. Die Prostituierte ist in diesem Diskurs kein menschliches Wesen, sondern ein Symbol für sexuelle Grenzüberschreitung, mit dem man sich schmücken kann wie mit einem Ohrring, den man sich anhängt.

Gewagt ist ihre Analogie zur Leihmutterschaft. Ekman behauptet, dass es sich hierbei auch um eine erweiterte Form der Prostitution handelt. Die Leihmutter muss ihr Selbst vom Körper und Kind abspalten. Nur so können sie eine Ware werden für die bezahlt wird.Sie fragt: “Why should this not be called child trafficking?

Wie überzeugend sie die These darlegt, davon kann sich die Leser_in im kommenden Jahr selbst ein Bild machen. Da wird dieses Buch bei uns ausleihbar sein.

Prostitution – ein deutscher Skandal

Seit letzter Woche schlagen die Wellen mal wieder hoch. Die Zeitschrift EMMA hat einen Appell gegen Prostitution lanciert. Auf dem Cover sind einige der insgesamt 90  prominenten Erstunterzeichner_innen, die die Abschaffung der Prostitution und die Änderung des Zuhälter-Gesetzes fordern. Bislang haben ca. 2.800 Menschen diesen Appell unterzeichnet, Tendenz steigend.

Die Gegenreaktionen ließen natürlich nicht lange auf sich warten. Sofort hagelte es – mal mehr, mal weniger sachlich und fundiert – Kritik. Diese reicht von “Polizeifeministin” bis hin zu Rassismus. Letzteres ist wohl auf dem von Alice Schwarzer verwendeten Begriff white slavery zurückzuführen.

Die Debatte weiter anfachen wird das neue  von Alice Schwarzer herausgegebene Buch “Prostitution – Ein deutscher Skandal.”, das diese Woche veröffentlicht wird. Unter den insgesamt vier Themenblöcken “Die Folgen der Reform – und der Widerstand”, “Prostitutierte reden”, “Reicher Sextourist – arme Prostitutierte” und “Blick Zurück – und Blick in die Gegenwart” sind zahlreiche Beiträge versammelt, die zum Teil bereits in der EMMA veröffentlicht wurden. Anhand dieser Beiträge hat die Leser_in die Möglichkeit, die nun mittlerweile 30 Jahre andauernde Berichterstattung von EMMA kritisch nachzuvollziehen. Als besonders eindrücklich erweisen sich die Gespäche mit den Prostutierten, die EMMA-Redakteurinnen in den letzten Jahrzehnten immer wieder geführt haben. Neben prominente “Alt-Huren” wie Domenica kommen vor allem die Frauen zu Wort, die nicht so recht in das Glamourbild der freien selbstbestimmten in Sauß und Braus lebenden Sexarbeiterin passen. Dabei muss man nicht wie Bettina Flittner und Cornelia Filter bis in das deutsch-tschechische Grenzgebiet fahren, um die unmenschlichen Außmaße des internationalen Frauenhandels und der sexuellen Ausbeutung erfahren. Auch hierzulande hat sich die Situation seit 2002 massiv verändert. “Seit der Reform des Prostitutionsgesetzes sind nicht nur die Anzeigen enthemmter geworden, sondern auch die Freier brutaler… Das Gesetz hat nichts gebracht. Zumindest nichts für uns Prostitutierte, so die Domina Ellen Templin. Aber wem nutzt nun dieses Gesetz? Diese und andere Fragen werden in der erhellenden Reportage über die “Pro-Prostitutionsfront gestellt. Am Beispiel der “Hurenprojekte” Hydra und Dona Carmen fragt die Autor_in, wer eigentlich hinter der “Prostituiertenlobby” steckt, wer sie finanziert und wem sie vor allem nützen.

Aufschlussreich ist auch der Beitrag aus dem Jahr 1979. Die Autorinnen Rosemarie Giesen und Gunda Schumann geben darin einen ersten Überblick über die Haltung der neuen Feministinnen zur Prostitution. Während in den USA und Frankreich Prostituierte damit beginnen sich zu organisieren und politische Forderungen zu stellen (sei es Legalisierung oder Verbot der Zuhälterei), bleibt es in Westdeutschland relativ still.

Ob das Buch dazu beiträgt die verhärteten Fronten in der Prostitutionsdebatte zu lockern, bleibt fraglich. Vielleicht gelingt es am 14. November, denn an diesem Tag findet um 20 Uhr im Urania/Berlin in Anwesenheit von Alice Schwarzer eine Podiumsdiskussion statt.

Aber eines steht nach der Lektüre des Buches jetzt schon fest: Deutschland ist zum Paradies der Frauenhändler geworden. Un darüber muss nicht nur geredet, sondern es muss vor allem gehandelt werden!

Sto lat, Alice!

http://groups.uni-paderborn.de/mia/wp-content/uploads/2012/08/alice-schwarzer.jpg„Fast immer, wenn ich in den letzten Jahren mit Frauen geredet habe, egal worüber und egal mit wem – ob mit Hausfrauen, Karriere-Frauen oder Aktiven aus der Frauenbewegung -, fast immer landeten die Gespräche bei der Sexualität und bei den Männerbeziehungen  dieser Frauen.“ So lautet der erste Satz aus Alice Schwarzers Buch „Der kleine Unterschied und seine großen Folgen“, das die Autorin mit einem Schlag zur bekanntesten deutschen Feministin weltweit machte. Das Buch wurde für Millionen von Frauen zu einer lebenswichtigen und lebensentscheidenden Lektüre – bis heute. Zugleich trat das Buch eine bis dato noch nicht da gewesene Lawine an Hass, Häme und Beleidigungen gegen eine öffentliche Person los, die bis heute andauert.

Doch Alice Schwarzer ließ sich nicht mundtot machen, veröffentlichte weitere zahlreiche Bücher und gründete die EMMA – Deutschlands größte und bekannteste feministische Zeitschrift. Auch in dieser griff sie Tabuthemen auf: häusliche Gewalt und sexueller Missbrauch – damals ein Riesenskandal.  EMMA berichtete als erste über Genitalverstümmelung in Afrika und warnte bereits mit Blick auf die Ereignisse im Iran vor den erstarkenden Islamismus. Der § 218, Prostitution und Pornografie sind ebenfalls Themen, mit denen Alice Schwarzer sich im Laufe ihrer journalistischen Tätigkeit immer wieder kritisch auseinandersetzt. Dabei nimmt sie stets eine Haltung ein, die nicht der queer-feministisch-postgender-sexpositiven Feminist_innen entspricht und kassiert von ihnen dafür Anfeindungen, die hinsichtlich ihres Niveaus an das der Antifeminist_innen manchmal bedenklich nahe kommen.

Und neben ihrem publizistischen Werk sind auch ihre mittlerweile legendären Fernsehauftritte zu nennen. Von ihrem Streitgespräch mit Esther Vilar (Autorin des antifeministischen Pamphlets „Der dressierte Mann“) über ihre Begegnung mit Verona Feldbusch bei Kerner bis hin zu ihren mutigen Auftritten zum Fall Kachelmann („Es könnte sein, dass sie recht hat.“).

Für ihr unermüdliches Engagement für die Gleichberechtigung ist sie zeitlebens mit zahlreichen nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet worden. Heute, am 3. Dezember, feiert Alice Schwarzer ihren 70. Geburtstag. MONAliesA gratuliert!

Wie Alice Schwarzer diese Zeit im wahrsten Sinne des Wortes überlebt hat, ist wunderbar in ihrem jüngst erschienen Buch Lebenslauf nachzulesen. (Bei uns ausleihbar!)

“Wehe! Die Frauen wollen Männer werden”

Zum Abschluss der sehr erfolgreichen Reihe „Weiberplage“ oder „Der Geschlechterkampf von rechts“. Der moderne Antifeminismus in Deutschland soll an dieser Stelle mal ein großes Dankeschön an alle TeilnehmerInnen, BesucherInnen und natürlich auch alle HelferInnen rausgehen! Verbunden mit einer herzlichen Einladung zur heutigen Abendveranstaltung: Aufgrund der großen Nachfrage werden die Frauen des MONAliesA e.V. ihre erste selbstgestaltete szenische Lesung noch einmal auf die Bühne bringen und euch mit einem witzigen Schlagabtausch zwischen Hedwig Dohm, Eva Herman, Kristina Schröder und Alice Schwarzer unterhalten.

Hedwig Dohm zählt zu den bedeutendsten Vertreterinnen der Frauenbewegung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Mit viel Verve und spitzer Feder (“Wehe! Die Frauen wollen Männer werden”) plädierte sie in ihren Artikeln, Essays, Feuilletons, Novellen und Romanen für die Gleichberechtigung von Frau und Mann. Immer wieder erwies sie sich dabei als eine ausgesprochen scharfsinnige und rhetorisch brillante Autorin und Polemikerin, die ihrer Zeit oft weit voraus schien. Wie aktuell ihre Gedanken zum Antifeminismus heute noch sind, zeigt ein Treffen zwischen ihr und Eva Herman, Kristina Schröder sowie Alice Schwarzer.

„Aber ich soll ein wahres Weib sein?!“ – Hedwig Dohm trifft auf die (Anti-)Feministinnen von heute. Szenische Lesung von und mit den Frauen des MONAliesA e.V.
Beginn der Veranstaltung ist 19 Uhr; Eintritt läppische 2,- € gibt auch Kuchen…

An dieser Stelle auch schon mal ein kleiner Hinweis auf unsere morgige Veranstaltung zu “Gender, Ästhetik und Performance im Heavy Metal” (→ Termine): Es wird bestimmt ein paar lustige Videos zu sehen geben, hihi (mehr dazu auch morgen hier im Blog) 😉