die MONAliesA benötigt Ihre Hilfe.
Wegen finanzieller Probleme ist unsere Bibliothek bis auf Weiteres geschlossen.
Nach der Auflösung des MONAliesA e.V. gibt es nun eine Gruppe engagierter Frauen, die die Bibliothek mithilfe eines neuen Vereins weiterführen möchte. Aufgrund der fehlenden städtischen Zuwendung in Form von Fördermitteln in diesem Jahr sind wir im Moment auf Spenden angewiesen.
Die Spenden werden für die Zukunft der Bibliothek benötigt: Zunächst vor allem für den Ankauf des Bücher- und Medienbestandes und die Miete im Haus der Demokratie, sodass die Frauen- und Genderbibliothek in der zweiten Jahreshälfte wiedereröffnet werden kann.
Bitte helfen Sie uns, die MONAliesA als Teil des frauenpolitischen Netzwerks zu erhalten!
Gespendet werden kann per Überweisung oder auf betterplace.
Der neue Verein, Lotta e.V., ist als gemeinnützig anerkannt und somit berechtigt Spendenbescheinigungen auszustellen. Bitte schicken Sie uns dafür Ihre Postanschrift.
Für Rückfragen stehen wir sehr gerne zur Verfügung unter monaliesa_leipzig@gmx.de.
Seit nun mehr als zwei Monate tobt in Deutschland eine Debatte über Prostitution. Auslöser war der von der EMMA-Herausgeberin Alice Schwarzer initierte Appell die Prostitution zu verbieten. Begleitet wurde diese Kampagne durch die Veröffentlichung “Prostitution. Ein deutscher Skandal“.
Viel ist in Zeitungen geschrieben worden. Auch die Talkshows griffen das Thema beherzt auf und diskutierten mal mit mehr, mal mit weniger seriösen Gästen. Und da sind natürlich auch noch die feministischen Stimmen. Jüngst meldete sich das “Alphamädchen” Meredith Haaf in der Süddeutschen zu Wort. Ganz wie vor 5 Jahren, als eine junge Generation von weißen Frauen den “neuen Feminismus” ausriefen, steht die “Alt-Emanze” Alice Schwarzer und der “EMMA-Feminismus” unter Beschuss.In dem Artikel kritisiert sie die von Schwarzer gezogene Parallele zwischen Pädophilie und Prostitution. Frau Haaf wirft ihr darauhin einen “anachronistischen und frauenfeindlichen Sexualitätsbegriff” vor, der keine “sexuelle Autonomie” der Frau zulässt und stellt sie damit auf eine Stufe mit islamischen und christlichen Fundamentalisten. Der Vorwurf eines “altmodischen Frauenbildes in der Prostitutionsdebatte” kulminiert in der Aussage Alice Schwarzer mache mit einer patriarchalischen Ideologie Politik. Wie bitte?
Der Gastbeitrag von Meredith Haaf zeigt mehr als deutlich, dass Kapitalismus- gepaart mit Patriarchatskritik und soziapolitische Forderungen in feministischen Debatten kaum noch vorkommen. Noch mehr schockierend ist die Annahme von Frau Haaf, dass Frauen doch in der Lage sein sollten, den Sex, den sie haben, von sich zu trennen.
Die schwedische Feministin und Journalistin Kajsa Ekis Ekman greift in ihrem jüngst erschienen Buch “Being and Being Bought: Prostitution, Surrogacy and the Split Self” diese Argumentation auf: ” The Self must be split from the body to make it possible to sell your body without selling yourself. The body becomes sex. Sex becomes a service. The story of the sex worker says: the Split Self is not only possible, it is the ideal.”
Kajsa Ekis Ekman setzt sich in ihrem Buch sehr kritisch mit Prostitution auseinander. Sie kritisiert hierbei insbesondere die Allianz zwischen Rechten und Linken: “Auf der einen Seite sind da die neoliberalen Rechten, die an den freien Markt glauben und alles deregulieren wollen. Auf der anderen Seite steht die postmoderne Linke, die alles bejaht, was für sie nach Freiheit klingt. Nun haben wir es bei der Prostitution mit einem völlig deregulierten Markt mit Dumpinglöhnen und Mietwucher zu tun, dem die Linke das Vokabular liefert: „Unterdrückte Frauen nehmen sich die Macht, ihr Leben selbst zu definieren und weigern sich, Opfer zu sein.“ Auch die Queer-Bewegung kommt bei ihr nicht gut weg, “die Prostitution als cool und hip definiert“: “Das Problem ist: Diese Bewegung stellt zwar Normen in Frage, aber nicht die Machtverhältnisse. Die Prostituierte ist in diesem Diskurs kein menschliches Wesen, sondern ein Symbol für sexuelle Grenzüberschreitung, mit dem man sich schmücken kann wie mit einem Ohrring, den man sich anhängt.”
Gewagt ist ihre Analogie zur Leihmutterschaft. Ekman behauptet, dass es sich hierbei auch um eine erweiterte Form der Prostitution handelt. Die Leihmutter muss ihr Selbst vom Körper und Kind abspalten. Nur so können sie eine Ware werden für die bezahlt wird.Sie fragt: “Why should this not be called child trafficking?”
Wie überzeugend sie die These darlegt, davon kann sich die Leser_in im kommenden Jahr selbst ein Bild machen. Da wird dieses Buch bei uns ausleihbar sein.
“Nicht aufhören anzufangen.” – 20 Jahre medica mondiale
Am Montag, den 25. November 2013 lädt MONAliesA zu einem Vortrag mit Dr. Monika Hauser, Gründerin und Vorsitzende von medica mondiale und Trägerin des Alternativen Friedensnobelpreises ein.
Berichte aus Kriegs- und Krisengebieten sprechen häufig nur sehr allgemein von “Betroffenen”, “Opfern”, “Zivilisten” und neuerdings auch wieder von “Gefallenen”. Diese medialen Sprechblasen prägen die kollektive Wahrnehmung bewaffneter Konflikte auf eine fatale Weise, indem sie Gewalt und Unrecht zu schwammigen Statistiken reduzieren. Vor allem jedoch verschleiern sie die Tatsache, dass jeder Krieg aufs Neue eine klar zu definierende Opfergruppe reproduziert: die Frauen.
Eine Organisation, die sich gegen die weit verbreitete Ignoranz sowie die Verklärung kriegsbedingten Leids engagiert, feiert in diesem Jahr ihr zwanzigjähriges Bestehen: medica mondiale. Als zu Beginn der 1990er Jahre in Bosnien Krieg herrschte, drangen Berichte über systematische Massenvergewaltigungen an die Öffentlichkeit, mit denen sich jedoch außerhalb entsprechend engagierter Kreise kaum jemand ernsthaft auseinandersetzte. Die Kölner Frauenärztin Dr. Monika Hauser reiste daraufhin in das Kriegsgebiet, um sich selbst ein Bild von der Lage zu machen und erste Hilfe zu organisieren. Das bosnische Zenica war eine jener zahlreichen von Kriegsflüchtlingen überfüllten Städte, die Monika Hauser erreichte. Jede zweite Frau war hier vergewaltigt worden. Mit Hilfe befreundeter Ärztinnen, Psychologinnen, Psychiaterinnen, Krankenschwestern und weiterer Frauen aus dem In- und Ausland gründete sie hier im April 1993 die erste Anlaufstelle für vergewaltigte Frauen und Mädchen. Weitere Zentren in ganz Bosnien folgten. Allein im ersten Jahr wurden in Zenica mehr als 4000 Frauen ambulant versorgt und 150 Frauen und Kinder dauerhaft aufgenommen.
Seit zwanzig Jahren engagieren sich Hauser und ihre Mitarbeiterinnen und Helferinnen bei medica mondiale für die Opfer kriegsbedingter, sexueller Gewalt. Inzwischen betreibt die gemeinnützige Organisation auch Hilfszentren im Kosovo, in Albanien, Liberia und Afghanistan und kooperiert mit eine ganzen Reihe Partnerorganisationen in vielen weiteren Ländern der Welt. Ihr spezifischer Ansatz ist ein ganzheitlicher: Traumatisierte Frauen und Kinder werden nicht nur medizinisch versorgt sondern erhalten auch eine umfassende psychosoziale Betreuung.
Dr. Monika Hauser wird am kommenden Montag, den 25. November 2013 bei uns zu Gast sein und über Geschichte, Gegenwart und Zukunft von medica mondiale sprechen.
Die Veranstaltung beginnt um 19 Uhr in der Unteren Wandelhalle des Neuen Rathauses zu Leipzig. Der Eintritt ist frei, wir bitten alle BesucherInnen jedoch freundlich um Spenden für medica mondiale.
Zugleich weisen wir auch auf unsere Fotoausstellung „Starke Stimmen – Frauen in Afghanistan“ hin, die noch bis zum 2. Dezember 2013 ebenfalls in der Unteren Wandelhalle des Neuen Rathauses zu sehen ist.
Letztes Wochenende trafen sich in Leipzig die unter dem i.d.a-Dachverband organisierten deutschsprachigen Frauen-/Lesbenarchive, -bibliotheken und -dokumentationsstellen. Dieses jährlich stattfindende Treffen dient nicht nur dem fachlichen Austausch und der Vernetzung. Das Treffen zeigt vor allem auch die Vielfalt und das unermesslich reiche Erbe der Frauenbewegungen im deutschsprachigen Raum. Und genau dieser Reichtum, diese Vielfalt drohen nun verloren zu gehen – und daran haben auch (leider) Frauen ihren Anteil!
Archiv Frau und Musik
In Frankfurt/Main sitzt ein weltweit einzigartiges Archiv: dasArchiv Frau und Musik. Es beherbergt ca. 20.000 Medieneinheiten und stellt damit das umfangreichste internationale Komponistinnen-Archiv dar. Neben Kompositionen und sonstigen künstlerischen Nachlässen musikschaffender Frauen werden Sekundärliteratur, Hochschulschriften, Presseveröffentlichungen sowie graue Literatur, wie zum Beispiel Konzertprogramme, gesammelt.
Diese Schatzkammer, deren ältesten Quellenbestände bis in das 9. Jahrhundert (!) zurückreichen, ist akut von der Schließung bedroht! Die Bankenstadt Frankfurt/Main hat für 2014 alle bisherigen Fördermittel für das Archiv gestrichen. Während das Land Hessen bereit ist das Archiv weiter finanziell zu fördern, bleibt Frankfurt/Main hart. Falls keine Einigung erzielt wird, droht die Schließung!!
Die Frauen vom Archiv Frau und Musik benötigen dringend Unterstützung! Hier geht es zur Online-Petition.
FrauenMediaTurm
Bereits im Frühjahr 2013 schlugen die medialen Wellen hoch: Die frisch gewählte weibliche Doppelspitze von Nordrhein-Westfalen (Rot-Grün wohlgemerkt) kürzte rückwirkend (!) die Fördermittel für den FrauenMediaTurm (FMT) um satte 140.000 €. Die an Zynismus kaum zu überbietende Begründung lautete damals: „Mit der Förderentscheidung der damaligen Landesregierung (unter Rüttgers) wurde davon ausgegangen, dass sich auch der Bund mit einem gleich hohen Betrag an der Förderung des FMT beteiligt. (…) Damals wurde von einer jeweils hälftigen Finanzierung zwischen Bund und Land ausgegangen. (…) Ich hoffe, dass es Ihnen gelingen wird, die immer intendierte komplementäre Finanzierung Ihres FrauenMediaTurms mit Hilfe von Bund, Land und Drittmitteln erfolgreich zu gewährleisten.“ Liebe Frau Kraft: Wie sollen denn bitte Drittmittel langfristig eingeworben werden, wenn die Einrichtung um ihre Existenz kämpft und nicht mal die Stromrechnung bezahlen kann? Für Drittmittelakquise braucht es Personal und Zeit – beides sind Ressourcen, die in Frauen-/Lesbenarchive und -bibliotheken kaum noch anzutreffen sind.
Und nun streicht die Landesregierung unter der Federführung von Hannelore Kraft die letzten Fördermittel in Höhe von 70.000 €. Würde der Bund den FMT nicht mit 150.000 € fördern und der Vorstand mit enormen Einsatz Drittmittel einwerben – der FrauenMediaTurm müsste seine Pforten schließen. Die Verhandlungen mit dem Bund laufen – Ausgang ungewiss.
Und wir, MONAliesA?
Auch unsere finanzielle Sitaution ist prekär und äußerst unsicher. Jährlich müssen neue Förderanträge eingereicht werden, hinzu kommen mehrere Projektanträge für Drittmittel. Während wir für die Frauen-/Gendbibliothek vorsichtig hoffen, bangen wir derzeit um unsere feministische Mädchenarbeit.
Derzeit plant die Sadt Leipzig im Bereich der freien Trägern eine Mittelkürzung um 50%!! Anders ausgedrückt: Bis zu 10 Einrichtungen droht die Schließung! Wen es betreffen wird, weiß im Moment niemand. Nur eines scheint klar zu sein: Kinder- und Jugendarbeit scheint in dieser Stadt keine Priorität zu haben.
Es ist vielen Trägern schon in den letzten Jahren nur durch Leistungsreduzierungen möglich gewesen, tarifliche Steigerungen im Personalbereich und Mehrbelastungen aufgrund höherer Betriebskosten abzufedern. Unsere Mitarbeiterinnen in der Mädchenarbeit sind hochqualifizierte Sozialpädagoginnen, die mit ihren 20 bis 26 Stundenwochen und viel Engagement in Form von (unbezahlten) Überstunden die große Nachfrage nach feministischer Jugendarbeit mit Mädchen in Leipzig abdecken können.
Ob und in welchem Umfang die Mädchenarbeit gestrichen wird, können wir im Moment nicht sagen. Dennoch sind Solidarität und Protest gefragt, denn der drohende Kahlschlag in der Kinder- und Jugendhilfe ist nicht hinnehmbar! Weitere Infos über die skandalösen Kürzungen und Möglichkeiten des Protests findet ihr hier.
Vergangenen Freitag (12.10.) wurde mit viel Blitzlichtgewitter (Ja,sie waren da: “dear Mel Ramos” und “lieber Wolfgang Joop” wurden unterwürfig begrüßt) die neue Ausstellung des Leipziger Museums für bildende Künste (MdbK) eröffnet. Sie trägt den vielsagenden Titel “Die Schöne und das Biest”. Diese Schau darf wohl mit recht als widerlicher Tiefpunkt bezeichnet werden: Der Nazi-Ästhet Richard Müller soll behutsam rehabiliert werden (jemand der angeblich “schon 1935” in Ungnade fiel, wäre 1944 wohl kaum auf Hitlers “Gottbegnadetenliste” gelandet – aber davon erfährt das Publikum nichts); der Pop-Art-Sexist Mel Ramos (“es beschweren sich doch immer nur hässliche Feministinnen über meine Kunst”) wird noch mal richtig geil abgefeiert. Warum Wolfgang Joops Affenbilder dabei sind? Die Kuratoren meinten, dass sie “einfach mal Lust darauf” hatten… Zur offiziellen Eröffnung wurde das natürlich ein bisschen verschwurbelter rübergebracht.
Es ist schlichtweg ekelhaft: Die Frauen dieser Schau werden gnadenlos objektiviert, ja – bestialisiert! Sie erscheinen als Verführerinnen, deren starke Sexualität als Bedrohung empfunden wird und daher gebändigt werden muss. Dressur mit Tiger und Weib; auch Penetrationsfantasien… Das alles mal wieder unter dem Deckmantel der Kunst. “Von Sexisten für Sexisten”, murmelte es an der Gaderobe.
Wir protestieren aufsSchärfste gegen diese frauenverachtende und gewaltverherrlichende Ausstellung und fordern ihre sofortige Schließung!
Mit den Worten der Guerillia Girls muss wieder einmal gefragt werden:
Für die kalten und regnerischen Herbsttage empfehlen wir unseren Leser_innen folgende frisch eingetroffene Bücher:
Jennifer Teege: Amon. Mein Großvater hätte mich erschossen
Es ist ein Schock, der ihr ganzes Selbstverständnis erschüttert: Mit 38 Jahren erfährt Jennifer Teege durch einen Zufall, wer sie ist. In einer Bibliothek findet sie ein Buch über ihre Mutter und ihren Großvater Amon Göth. Millionen Menschen kennen Göths Geschichte. In Steven Spielbergs Film «Schindlers Liste» ist der brutale KZ-Kommandant der Saufkumpan und Gegenspieler des Judenretters Oskar Schindler. Göth war verantwortlich für den Tod tausender Menschen und wurde 1946 gehängt.
Dieses Buch ist zurecht von den Feuilletons gelobt worden. Jennifer Teege gelingt es auf beeindruckender Art und Weise die Leser_innen auf ihre Reise in die Vergangenheit mitzunehmen. Teegers Schilderungen über ihre schonungslose Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Familiengeschichte wird von Zeitzeug_inneberichten und historischen Fakten über Amon Göth angereichert. Dadurch gewinnt das Buch nicht nur an Intensität, sondern macht auch deutlich, dass die Aufarbeitung des Nationalsozialismus in der dritten bzw. gar vierten Generation noch lange nicht abgeschlossen ist.
Janet Frame: Auf dem Maniototo
Janet Frame zählt zu den bekanntesten Autorinnen Neuseelands. Zur literarischen Berühmtheit schaffte sie es mit ihrem autobiografisch gefärbten Roman “Der Engel an meiner Tafel”, der 1990 von Jane Campionfulminant verfilmt wurde.
Nun hat der C.H.Beck-Verlag den bereits 1987 erschienen Roman “Auf dem Maniototo” auf deutsch veröffentlicht: In ihrem vielleicht schönsten Roman erzählt Janet Frame von einer Frau, die, nachdem sie ihren Ehemann verloren hat, beschließt Schriftstellerin zu werden. Sie absolviert einen Kurs, geht auf Reisen, verliebt sich, heiratet erneut – und wird wieder Witwe. Auf Einladung von Freunden verbringt sie, die Neuseeländerin, den Sommer in Berkeley, Kalifornien, und erbt unversehens das Haus ihrer Freunde, die bei einem Erdbeben in Italien ums Leben kommen. Doch am Ende des Sommers tauchen sie quicklebendig wieder auf. Was ist Realität, was Fiktion, wie glaubwürdig ist die Erzählerin, die sich uns unter verschiedenen Namen vorstellt? Amüsant und detailreich, haarsträubend und bunt, in einer grandiosen Sprache erzählt dieser Roman lauter Geschichten und handelt dabei zugleich vom Schreiben und Erzählen selbst.
Swetlana Alexejewitsch: Second Hand Zeit. Leben auf den Trümmern des Sozialismus
Bereits mit ihren Büchern “Der Krieg hat kein weibliches Gesicht” und “Tschernobyl. Chronik einer Zukunft” hat sich Swetlana Alexejewitsch als großartige Zuhörererin und Erzählerin bewiesen. Mit ihrem neuen Buch “SecondHand Zeit” beweist sie sich einmal mehr als Meisterin der Zeitgeschichte. Darin widmet sie sich den Verlierer_innen des russischen Wandels, den Menschen, die von Mühlen der Politik und Ökonomie zermalmt werden. Swetlana Alexejewitsch hört denen zu, die nicht mehr gehört werden – nicht mal von ihren eigenen Kindern und Enkelkindern. Die Autorin selbst nimmt sich zurück, will sie doch “ein nüchterner Historiker ohne Fakel” sein. Um so mehr strahlen die Berichte von Dissident_innen, Student_innen, ehemaligen GULag-Häftlingen, Verlierer_innen und Gewinner_innen des Turbo-Kapitalismus der 1990er Jahre. Zusammen ergeben sie ein atemberaubendes und kaum eträgliches Panorama an Menschen, die vor allem eins zu einen scheint: die Last in der Sowjetunion geboren zu sein.
Die Frauenbewegungsforschung hat sich in den letzten Jahrzehnten recht ausdifferenziert und durch zahlreiche Publikationen interessante Ergebnisse zu Tage gebracht. Jedoch fällt auf, dass angesichts der Fülle an Literatur bislang ein Teil der Bewegungsgeschichte ausgeblendet wurde: die Afro-Deutsche Frauenbewegung in Deutschland.
Zum 20. Todestag von Audre Lorde hat Peggy Piesche unter dem Titel “Euer Schweigen schützt euch nicht” eine großartige Anthologie von bereits erschienen und übersetzten Texzten von Audre Lorde veröffentlicht. Ergänzt werden diese durch Texte und gedichte von Wegbegleiterinnen und Schwarzen Frauen der Nachfolgegenerationen aus Deutschland, die sich mit ihrem Erbe und den aktuellen Kämpfen auseinandersetzen.
Am 25.09.2013 um 20 Uhr wird Peggy Piesche persönlich das Buch imConne Islandvorstellen. Wir werden neben einem Büchertisch mit themenrelevanter Literatur auch eine Sonderaktion durchführen: An diesem Abend können Interessierte eine MONAliesA-Jahreslesekarte für 10€ erwerben. Ihr spart also 50%!
Wer nicht abwarten kann, hat die Möglichkeit das Buch von Peggy Piesche sich bei uns auszuleihen. Und auch sonst sei dazu folgende Literatur aus unserem Bestand empfohlen:
Audre Lorde: Zami
Audre Lorde / Adrienne Rich: Macht und Sinnlichkeit
May Ayim: Grenzelos und unverschämt
Katharina Oguntoye u. a. : Farbe bekennen. Afro-Deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte
Gabriele Dietze: Weiße Frauen in Bewegung. Genealogien und Konkurrenzen von Race- und Genderpolitiken
Anja Meulenbelt: Scheidelinien. Über Sexismus, Rassismus und Klassismus
Gloria I. Joseph: Schwarzer Feminismus. Theorie und Politik afro-amerikanischer Frauen
bell hooks: Black Looks
Anette Diedrich: Weiße Weiblichkeiten. Konstruktionmen von “Rasse” und Geschlecht im deutschen Kolonialismus
Nachdem Maria Furtwängler alias Charlotte Lindholm im Tatort “Wegwerfmädchen” gegen Zwangsprostitution ermittelt hat, ist nun am 15.09. um 20.15 Uhrauf ARD das Wiener Team Bibi Fellner und Moritz Eisner dran. In der Folge “Angezählt” servieren sie zur besten Sendezeit den Zuschauer_innen harte Kost: Von ca. 6.000 Prostituierten arbeiten in Wien gerade mal 1.500 legal. An Stelle die viel beschworene “selbstbestimmte Sexarbeiterin” zu präsentieren, zeigen sie den harten Alltag in einem harten globalisierten frauenverachtenden Männer-Business.
Und am Montag wird wieder in diversen vermeintlich linken, antikapitalistischen und feministischen Zeitungen und Blogs Folgendes zu lesen sein: “Nein, das ist doch alles gar nicht so schlimm. Hier wird wieder pauschalisiert und überhaupt machen die meisten das doch freiwillig.” Dieser Ton ist in Zeiten, wo gerne von Intersektionalität die Rede ist, ziemlich erstaunlich. Denn genau bei diesem Thema wird in den Diskussionen und Zeitungsbeiträgen die Verbindung von Race, Class und Gender ausgeblendet. Wieso eigentlich? Vielleicht weil dann das Bild von der “selbstbestimmten Sexarbeiterin” (die es durchaus gibt, aber sie ist nun mal leider eine Ausnahme) zerstört wird? Und weil mensch sich dann vielleicht auch mit der Komplizenschaft, den so ein pseudo-emanzipatorischer und kapitalistisch-neoliberaler Diskurs nun mal leistet, auseinandersetzen muss?
Übrigens stammt die Blog-Überschrift von dem gleichnamigen Buch von Sheila Jeffrey. Darin untersucht sie den Aufstieg der Sex-Branche zu einem globalen Industriezweig bestehend aus Puffs, BrideOrder, Pornos und Strip-Clubs. Jeffrey: “The important is the new economic ideology and practice of these times, neo-liberalism, in which the tolerance of ´sexual freedom´ has been merged with a free market ideology to reconstruct prostitution as legitimate ´work´ which can form the basis of national and international sex-industries.” Ihre These: Dieser global wachsende und milliardenschwere Wirtschaftssektor muss als die kommerzalisierte Unterdrückung der Frauen verstanden werden, an der nicht nur Zuhälter_innen und Wirtschaftsunternehmen verdienen, sondern auch staatliche Regierungen. Zum Beispiel Deutschland.
Ich weiß gar nicht mehr wann genau, aber es war auf jeden Fall vor meinem 10. Lebensjahr, als meine Mom meine erste Diät verordnete. “Ich sei zu dick.”, meinte sie. Seitdem habe ich begriffen, dass Mädchen vorrangig nicht schlau und stark zu sein haben, sondern schlank und schön.
Wie stark dicke Menschen mit Ressentiments zu kämpfen haben zeigen die Fotos von Haley Morris Cafiero. Während in der Highschool die Welt noch in Ordnung schien (Sie war sportlich und spielte in drei Teams Soccer.), nahm sie auf dem College plötzlich drastisch zu (von Größe 7 auf 14). Die Diagnose: eine Schilddrüsenunterfunktion. “Ich versuchte zunächst, mit Diäten und Gewichtstraining gegenzuhalten. Dann kam ich irgendwann an den Punkt, dass es keinen Sinn mache, mich für etwas zu bestrafen, für das ich nichts konnte. Seltbstzerfleischung ist Zeitverschwendung.”
Ihre Umwelt und Mitmenschen sahen das aber anders. Sie machten sich auf offener Straße über den Körper von Haley Morris Cafiero lustig. Doch Cafiero schoss zurück und zwar mit einer Fotokamera. Ihre produzierten Fotoserien tragen Titel wie “Wait Watchers!” oder “Gelato”. Sie zeigen Haley an öffentlichen Orten, wo sie sich unwohl fühlte. Egal ob in Spanien, Peru, New York oder Memphis, das Ergebnis war überall gleich. Haley: “Wenn ich diese Bilder betrachte, bin ich nicht verletzt. Ich fühle mich dann so, als ob ich ihren Blick erwidere und gegen sie richte. Ich fühle mich gut, so wie ich bin, ich brauche von niemandem eine Erlaubnis für meine Existenz.”
An dieser Stelle sei auch das Buch vonVirgie Tovar empfohlen (Bei uns ausleihbar!) . In “Hot and Heavey. Fierce Fat Girls on Life, Love and Fashion” versammelt sich bewegende und ermutigende Berichte von dicken Frauen. Sie schreiben offen über Sex mit dicken Körpern, Fat-Burlesque oder Plus-Size-Modeling.
In der kommenden Woche startet die Frauen- und Genderbibliothek in die wohlverdiente Sommerpause! Der Ausleihbetrieb ist daher vom 29. Juli bis 31. August geschlossen. Das Büro ist ebenfalls eingeschränkt besetzt: Vom 06.08. bis 31.08. am Dienstag und Donnerstag jeweils von 9 bis 14 Uhr.
Ab September starten wir wieder durch und es erwarten Euch u. a. diese Neuerwerbungen:
Rigoberta Menchu: Enkelin der Maya und Klage der Erde
In diesen beiden Büchern erzählt die Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchu über den Kampf der Maya gegen Genozid und politische Verfolgung der indigenen Bevölkerung in Guatemala. Die berühmteste Frau Guatemalas erzählt ausführlich über ihre Kindheit in dem kleinen Dorf Chimel, über ihre Familie, die Zeit der furchtbaren Repression, über ihren Bezug zur Erde und zur Natur, ihre Bemühungen in den Korridoren der UN-Menschenrechtskommission in Genf und New York, die Verleihung des Nobelpreises …
Peggy Piesche (Hg.): Euer Schweigen schützt euch nicht
Der vorliegende Band ist eine Sammlung von bereits erschienenen und bisher unveröffentlichten Texten Audre Lordes. Ergänzt werden diese durch Texte von Frauen, die gemeinsam mit der Autorin den Weg einer deutschen Schwarzen Frauenbewegung gingen und von Schwarzen Frauen der Nachfolgegenerationen aus Deutschland, die sich mit ihrem Erbe und den aktuellen Kämpfen auseinander setzen.
Gabriele Dietze: Weiße Frauen in Bewegung. Genealogien und Konkurrenzen von Race- und Genderkritiken
Die Studie konfrontiert zwei zentrale Emanzipationsanstrengungen der Moderne miteinander: unmarkierte ›weiße‹ US-amerikanische Frauenbewegungen und den Kampf um Bürgerrechte von people of color. Es geht dabei um implizite Sozio- und Psycho-Logiken, die Feminität mit whiteness gleichsetzen und race-Emanzipation mit Maskulinität. Die Studie untersucht kontraproduktive Race-Gender-Konkurrenzen, z.B. einen ›Rape-Lynching-Komplex‹, der schwarze Männer und weiße Frauen in ein Gewaltverhältnis imaginiert, Sexualpolitik im Second Wave Feminism und den Prozess um O.J. Simpson. Erkenntnisinteresse ist die Verfugung von Sexismus und Rassismus und seine soziokulturellen Repräsentationsformen.
Beate Binder u. a. (Hg.): Eingreifen, kritisieren, Verändern. Interventionen ethnographisch und geschlechtertheoretisch
Unter dem Stichwort „Interventionen“ versammelt dieser Band unterschiedliche Perspektiven auf ethnographische und geschlechterkritische Wissensproduktion, die kritisierend und verändernd in politische Konfliktfelder eingreifen will und auf vielfältige Formen der Kollaboration mit sozialen Bewegungen und gesellschaftlichen AkteurInnen setzt. Die Beiträge loten das Dazwischensein aus – zwischen ForscherInnen und Beforschten, zwischen Wissenschaft, Kunst und Aktivismus.
Linda Tuhiwai Smith: Decolonizing Methodologies. Research and indigenous peoples
Ein Klassiker! In diesem Grundlagenwerk beschreibt sie wie westliche Wissenschaften immer noch kolonialistisch arbeiten und wie wissenschaftliche Methoden dekolonialisiert werden können, damit indigene Menschen wieder zu Subjekten werden können. Weiterhin hinterfragt Linda Tuhiwai Smith die Verbindungen zwischen Imperialismus und Forschung und Konzepte wie “Entdeckung” und “Claiming”, die dazu beigetragen haben, wie sich der Westen indigene Welten in das eigene Netz integriert und dadurch diese entfremdet hat. Ein großartiges Buch! Lesen!
Hit so hard. The life and near death of Patty Schemel (DVD)
Patty Schemel war ab 1992 die Drummerin der Band Hole. In dem Doku-Film “Hit so Hard” erzählt sie über ihre Zeit in der Band und über ihre massiven Drogenprobleme. Neben Interviews mit Courtey Love, Eric Erlandson und Melissa Auf Der Maur sind bislang noch nie gezeigte Filmaufnahmen zu sehen, die Patty Schemel während ihrer Zeit mit Hole gedreht hat. Patty Schemel, eine Frau über die eine Dokumentation auf alle Fälle lohnt.