Wikipedias Gender Gap

Der Sozialwissenschaftler Andreas Kemper, der im vergangen Mai auch an einer Podiumsdiskussion im Rahmen unserer “Antifeminismus”-Reihe teilnahm, übt in einem aktuellen Blogbeitrag scharfe Kritik an der deutschen Wikipedia:

Ich gehe davon aus, dass de.Wikipedia von institutionalisiertem Sexismus geprägt ist.

Konkreter Anlass ist der Fall einer systematischen Mobbing- und Verleumdungsaktion gegen die kritische wikipedia-Autorin Fiona Baine, die am vergangenen Dienstag die Reißleine zog und ihren Account endgültig löschen ließ. Baine ist, nachdem sie zuletzt den wiki-Artikel “Patriarchat” zu überarbeiten versuchte, von diversen Sexisten und Maskulisten über Monate hinweg in einschlägigen Internetforen attackiert, beleidigt und bedroht worden. Von “institutionalisiertem Sexismus” spricht Kemper aufgrund der Tatsache, dass die verantwortlichen Administratoren und Mitarbeiter, wie schon zuvor in ähnlichen Fällen, so auch in diesem Fall nicht eingeschritten seien. Das ist, wenn man der deutschen Wikipedia-Community in Gänze hier nicht ein absichtsvolles Handeln unterstellen will, zumindest grob fahrlässig:

Es ist nicht das erstemal, dass Frauen sich aufgrund sexistischen Mobbings und fehlender Unterstützung von Admins aus Wikipedia verabschieden. Die Wikipedia-Community und der Verein Wikimedia.de zeigten sich bislang immer ratlos und unschuldig, Sexismus gäbe es in Wikipedia nicht, jedenfalls nicht mehr als in anderen Institutionen auch. Tatsächlich verabschieden sich aber wiederholt Frauen, die in den Bereichen zu Antifeminismus schreiben, nicht, weil sie angegriffen werden, sondern weil Admins nicht konsequent gegen diese Angriffe vorgehen.

Dass Wikipedia, insbesondere die deutsche Sektion, hier an einem strukturellen Problem leidet, verdeutlichen schon die Zahlen: Frauen stellen nur rund 8 Prozent aller AutorInnen. Nur etwa jede/r zehnte AdministratorIn ist weiblich (auch in internationaler Perspektive sieht es nicht besser aus). In der Vergangenheit fiel die Community von de.wikipedia.org zudem durch eine Reihe weiterer antifemistischer, diskriminierender oder schlicht bescheuerter Aktionen auf: Mit Verweis auf eine angebliche Postgender- und Neutralitäts-Policy wurde (und wird zum Teil nach wie vor) etwa eine geschlechtersensible Sprache konsequent abgelehnt, wird die Artikel-Kategorie “Sexismus” vom Vorsitzenden des deutschen Wikimedia-Vereins mal eben gelöscht, werden antifeministische Artikel ohne Quellenbelege über Monate hinweg geduldet oder werden, wie im Fall Fiona Baine, queer-/feministische/-… oder sonstwie kritische AutorInnen (auch auf den internen Wiki-Diskussionsseiten) systematisch gemobbt.

Im deutschsprachigen Raum wird die Online-Enzyklopädie, die mittlerweile zu den populärsten Informationsquellen gezählt werden kann, auch scheinbar systematisch von der Männerrechtler-Szene beobachtet und gegebenenfalls zu konzertierten Aktionen, wie jener gegen Fiona Baine, aufgerufen.

Mehr dazu im Blog von Andreas Kemper unter dem tag “wikipedia” sowie in seiner Dokumentation “Nimms´s wie ein Mann! Gender-Gehampel in Wikipedia” (pdf).

Ein Gedanke zu „Wikipedias Gender Gap

  1. Danke, dass ihr auf diese antifeministische Kampagne in eurem Blog hinweist. Ich möchte dazu etwas richtigstellen: den Artikel “Patriarchat” http://de.wikipedia.org/wiki/Patriarchat_%28Soziologie%29 hatte ich im April 2012 neu geschrieben. Damit begann die Kampagne von Michael Klein und seiner Partnerin Heike Diefenbach im Blog sciencefile gegen Wikpipedia und mich als Wikipedia-Autorin. Ich habe dann angefangen, mich in die Literatur über Maskulisten/Männerrechtsbewegung einzulesen, in den entsprechenden Wikipedia-Artikeln zu editieren und zu diskutieren, darunter in den Artikeln “Männerrechtsbewegung” und “Arne Hoffmann”. Seitdem wird in den einschlägigen Maskulisten-Blogs gehetzt, wobei “Fiona Baine” zu einem Synonym für “fanatischen Feminismus” stilisiert wurde, der die Wikipedia unterwandere. Da sowohl nicht angemeldete IP-Benutzer als auch langjährig angemeldete Benutzer meine Arbeit gezielt störten, mich beleidigten und über meine Identität spekulierten und ich mich von den Adminschaft der Wikipedia nicht geschützt sah, habe ich schließlich meine Mitarbeit in Wikipedia beendet. Die Forderung von Klein und den Maskulisten, nur noch unter Klarnahmen in Wikipedia schreiben zu dürfen, ist auch in diesem Zusammenhang zu lesen: die Maskulisten verfolgen Autor_innen, die sie kritisieren oder die sie für Feminist_innen halten bis in das private und berufliche Leben mit Drohungen und Anprangerungen. Die neueste Kampagne von Klein wurde inzwischen auf den einschlägigen rechtsextremistischen Websites veröffentlicht. Darin zeigt sich wieder die Kongruenz beider Gruppierungen. Dass Arne Hoffmann sich weiterhin als “linksliberal” bezeichnet spricht für sich.

    Die Überschneidnung dieser Gruppierungen mit Gruppierungen von Wikipedia-Autoren bedeutet nicht, dass “die” Wikipedia und “die” Männer in der Wikipedia deren Positionen und Aktionen vertreten oder unterstützen. Vielmehr wird gegen ‘unpassende” Männer genauso vorgegangen, v.a. wenn sie sich für feministische Autorinnen bzw. Autorinnen, die in den Gender-Bereichen arbeiten, einsetzen.

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